80 Jahre Kriegsende - Eine Gedenkveranstaltung – emotional und wissenswert

 

Der Wurzener Geschichts- und Altstadt-Verein und die Ev.-lutherische Kirchgemeinde Wurzen hatten zu einer Gedenkveranstaltung eingeladen

 

 

„Heute vor 80 Jahren, am 24. April 1945, erlebte Wurzen seinen „Tag der Befreiung“. Oberbürgermeister Dr. Adolf Graebert übergab dem amerikanischen Bataillonskommandeur Major Victor George Conley die Stadt kampflos.“ So eröffnete Pfarrer Alexander Wieckowski am 24. April 2025 die Gedenkveranstaltung in der Wurzener Friedhofskapelle und über hundert Wurzener und Zuhörer von außerhalb lauschten aufmerksam der Andacht des Pfarrers und insbesondere dem Festvortrag von Ehrenbürger Wolfgang Ebert. Umrahmt wurde die Veranstaltung vom Posaunenchor der Kirchgemeinde und damit erhielt sie eine besondere innige Atmosphäre. Pfarrer Wieckowski appellierte in seiner Andacht, mehr Respekt untereinander walten zu lassen und sagte „Wo der Respekt voreinander fehlt, geht es schief. Wer das weiß und wer daran denkt, ist klar im Vorteil. Die Gedenktage der vergangenen Katastrophen – der Holocaustgedenktag oder der Gedenktag der Befreiung von Auschwitz, die Erinnerungstage von Beginn und Ende der Weltkriege, der Volkstrauertag – sie alle geben guten Anlaß, daran zu denken, wie wichtig der gegenseitige Respekt ist. Und darum auch heute bei uns in Wurzen der 24. April.“.

Wolfgang Ebert hatte seinen Vortrag unter die Überschrift gestellt: „Rede zum Wurzener Friedenstag am 14. 04.2025“. Mit der kampflosen Kapitulation an diesem Tag vor 80 Jahren war der Friede in Wurzen gesichert worden.

„Wir haben uns hier an einem Ort der Stadt zusammengefunden, an dem in beeindruckender Weise gemeinsames Gedenken ermöglicht wird. Allein schon durch die Gestaltung der Begräbnisflächen, wie wir sie heute hier vorfinden, wenn wir den Friedhof betreten. Die Anlage vor der Kapelle für die Opfer der Todesmärsche im April 1945, die ins Auge fallenden Holzkreuze für die gefallenen oder in Lazaretten verstorbenen deutschen Soldaten oder zivilen Opfer der letzten Kriegstage, die Bombenopfer, für die zahlreichen in Wurzen verstorbenen Fremd- und Zwangsarbeiter aus Polen, der Slowakei, Ungarn, aus Jugoslawien, Frankreich, Litauen oder den Niederlanden. Wir können allen Verantwortlichen und sich einbringenden Initiativen dankbar sein, dass hier durch sie sichtbare Erinnerungsarbeit geleistet wird. Hier werden die Namen der Opfer in Erinnerung gehalten, ihre Herkunft und ihre Lebensdaten. Hier wird unser Gedenken gefordert.“ Diese Worte ergänzte Wolfgang Ebert mit dem sehr emotionalen Vortrag über die Erlebnisse der aus Ungarn stammenden jüdischen Arzttochter Gertrud Mosonyl auf dem Hungermarsch vom 12. April aus Leipzig kommend. Er erzählte auch von dem holländischen Medizinstudenten Geerd Jacob Bremer, zwangsverpflichtet im Wurzener Krankenhaus, zu dem Wolfgang Ebert eine ganz besondere persönliche Beziehung hat. Und er berichtete über den aus Oberschlesien stammenden und in Wurzen ansässig gewordenen Hermann Kupzok, der im Auftrag des Oberbürgermeisters Dr. Graebert am 30. Mai mit drei weiteren Männern zur Beschaffung von Lebensmittel entsandt und unterwegs von Soldaten der Roten Armee erschossen wurde. Den Vortrag beendete Wolfgang Ebert mit den Sätzen „Keiner von uns heute wird in der Lage sein, die ganze Wahrheit über die Ereignisse von vor genau 80 Jahren zu verwalten, dieser Wahrheit gerecht

zu werden. Wir haben keine gemeinsame Erinnerung, aber wir können gemeinsam die Geschichte in Erfahrung bringen. Wir müssen nicht wieder schuldig werden. Heute und jetzt können wir über den Friedhof gehen, an den Flächen des Gedenkens vorüber. Hinüber zu den letzten authentischen Zeugen, den Glocken aus Klangstahl von der Stadtkirche St. Wenceslai, die am 24. April 1945 ihren Klangteppich über eine Stadt breiteten, die aus Krieg, Zerstörung und Tod heraustrat.“

In diesem Sinne waren alle Anwesenden am Schluss der Gedenkveranstaltung aufgefordert, in die gegenüber befindliche Firma des Wurzener Unternehmers Matthias Hühn zu gehen, wo die früheren Glocken der Kirche St. Wenceslai, originalgetreu in einem Glockenstuhl hängend, von ihm und Freunden lange geläutete worden. Und wieder ertönten die Glocken zur Mahnung an Frieden und Gedenken!

 

Dr. Jürgen Schmidt

Wurzner Geschichts- und Altstadt-Verein

 

PS: Die vollen Texte der Andacht und der Rede sind in der Homepage des Vereins unter dem Button „Aktuelles“ nachzulesen.

 

 

 

Bildtexte

Fotos Geschichtsverein

Bild 1: Die Friedhofskapelle war bis auf den letzten Platz gefüllt

 

Bild 2: Pfarrer Wieckowski und der Posaunenchor

 

Bild 3: Matthias Hühn und Pfarrer Wieckowski beim Läuten

 

Bild 4: Trotz Regen lauschte das Publikum bis zum letzten Ton